Bd. 54 (2025) Aktuelle Ausgabe

Veröffentlicht September 15, 2025

Komplette Ausgabe

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Sprachwissenschaft

  • Die abnormale „neue Normalität“: Das Konzept der „neuen Normalität“ als Frame-Struktur im Diskurs der sozialen Medien – Eine kognitiv-diskursive Analyse
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    Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Analyse des Konzepts „neue Normalität“ sowie der Beschreibung seiner Frame-Struktur im alltagsbezogenen Gebrauch innerhalb des Diskurses in sozialen Netzwerken. Ausgehend von einem kognitiv-diskursiven Ansatz untersuchen wir die Bedeutungsverschiebung des Ausdrucks „neue Normalität” vom ursprünglich wirtschafts- und politikorientierten Begriff hin zu einem vielschichtigen sprachlichen Instrument zur Artikulation von Bewertungen, Ängsten und Ablehnung. Anhand von Kommentaren in sozialen Medien (Facebook, Telegram, LiveJournal) identifizieren wir  Frames und thematische Gruppen, in deren Rahmen das Konzept aktualisiert wird: moralisch-wertbezogene Devaluation, kulturell-zivilisatorische Krise, ideologischer Druck, Normalisierung von Gewalt, Medialisierung von Tragödien sowie soziale Anpassung an post-COVID-Realitäten. Die durchgeführte Analyse zeigt, dass die „neue Normalität“ im Mediendiskurs als Marker normativer Transformationen und kognitiver Repräsentation von Krisenphänomenen fungiert. Das Konzept erfüllt die Funktionen eines ironischen Labels, eines Mittels der Stigmatisierung, der emotionalen Bewertung sowie der Artikulation von Identität und der Beschreibung des „Fremden“ unter Bedingungen globaler und lokaler Veränderungen.

  • Zur Untersuchung der ökologischen Terminologie: Der Begriff „Naturressourcenmanagement“ in russischsprachigen Texten verschiedener Stile
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    Die Aktualität des „wahren Zustands“ ist auf die intensive Erweiterung der Kenntnisse über die Ökologie zurückzuführen, begleitet von der aktiven Entwicklung und Einführung neuer Fachterminologien. Mit wachsendem Interesse an Ökologie, Umweltzensur und nachhaltiger Entwicklung wird das Umweltvokabular aktiv in Texten verschiedener Genres und Funktionen entwickelt und konsolidiert, was eine sprachliche Analyse der Terminologie und die Verwendung des Fachvokabulars im Kontext von Umweltfragen erfordert. Dieser Artikel eröffnet eine Reihe von Beiträgen zum Thema ökologische Terminologie und dient als Ausgangspunkt für eine systematische Untersuchung der Terminologie in russischsprachigen Texten über nachhaltige Entwicklung und Umwelt.

Literaturwissenschaft

  • Fragmentierung in Byrons „Der Giaur“ als Modell für Lermontows „Ein Held unserer Zeit“
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    M. Ju. Lermontow verbarg nie seine Begeisterung für die westliche Literatur, insbesondere für die Dichtung Lord Byrons. Die Ähnlichkeit zwischen den Persönlichkeiten der beiden Dichter sowie bestimmten Charaktertypen und Motiven in ihren Werken wurde bereits im 19. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Literatur festgestellt. Die Autorin dieser Arbeit möchte zeigen, dass auch im Hinblick auf die literarische Fragmentierung – insbesondere auf Auslassungen und Verschweigen in Erzählweise, Struktur und Chronologie der beiden Texte – eine Verbindung zwischen dem erzählenden Gedicht „Der Giaur“ und dem Roman „Ein Held unserer Zeit“ bestehen kann.

  • Die Lagerprosa: Zur Semantik und konzeptuellen Rahmen des Begriffs
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    Der vorliegende Beitrag analysiert die Lagerprosa als ein einzigartiges literarisches Phänomen der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts, das unter den extremen Bedingungen stalinistischer Arbeitslager und Repressionen entstand. Die Untersuchung geht der Frage nach, wie die Erfahrung der Inhaftierung die sprachliche Persönlichkeit sowohl professioneller Schriftsteller – wie W. Schalamow und A. Solschenizyn – als auch nicht-professioneller Autoren – wie Je. Ginsburg und Je. Kersnowskaja – geprägt hat. Die Texte dieser Autoren liefern schlüsselartige Erkenntnisse zur Analyse psychologischer, sozialer und individueller Transformationsprozesse während der Lagerhaft. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem metaphorischen Sprachgebrauch in der Gestaltung der Werke. Den Autoren gelingt es, die unaussprechlichen Schrecken des Lagerlebens mithilfe von Metaphern sowohl als stilistische Elemente als auch als Mittel der Neuinterpretation zu fassen. Die Studie untersucht, inwieweit diese Metaphern übergeordnete Themen wie Dehumanisierung, Durchhaltevermögen und moralische Standhaftigkeit widerspiegeln. Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass Lagerprosa über reine dokumentarische Zeugenschaft hinausgeht und sich zu einer Form sprachlichen Widerstands und kreativen Überlebens entwickelt. Durch die Untersuchung lexikalischer Entscheidungen und narrativer Strukturen dieser Texte diskutiert der Beitrag Methoden, mit denen die Autoren eine neue literarische Sprache und Ausdrucksform zur Verarbeitung von Trauma und Erinnerung schaffen. Damit leistet die Arbeit einen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Wechselwirkung zwischen persönlicher Erfahrung, sprachlichem Ausdruck und historischer Darstellung in der russischen Literatur.

  • Die Transformation des Lagerthemas in Sergej Lebedews Roman „Die Grenze des Vergessens“
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    Sergej Lebedews Roman Die Grenze des Vergessens stellt eine originelle Weiterentwicklung der Tradition der russischen Lagerliteratur dar. Im Zentrum des Werks stehen das Erbe des stalinistischen Terrors, die transgenerationale Weitergabe von Traumata sowie die Notwendigkeit eines bewussten Widerstands gegen deren Folgen. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie der Autor – gestützt auf das Konzept der Postmemory – persönliche Familiengeschichte mit Fragen kollektiver Erinnerung verknüpft und dabei die zerstörerischen Auswirkungen des Verschweigens der Vergangenheit sowie das Fehlen von Verantwortung für vergangenes Unrecht thematisiert. Im Mittelpunkt der Interpretation steht die Analyse der Reise des Erzählers durch Raum, Zeit und Selbst(er)kenntnis, gelesen im Lichte des mythologischen Motivs des Abstiegs (Katabasis). Eine zentrale Rolle innerhalb der Initiationsstruktur spielt das Begräbnisritual: Die symbolische Bestattung und die Trauer um spurlos verschwundene Opfer werden zu einem Akt der Wiederherstellung von Erinnerung, der die Möglichkeit zur Versöhnung und zu einem Neubeginn eröffnet. Lebedew setzt sich kritisch mit der gegenwärtigen russischen Erinnerungspolitik auseinander und betont die moralische Verpflichtung, die traumatische Vergangenheit offenzulegen und zu thematisieren.

  • Auf der Suche nach Siegern: Anlässlich des 100. Geburtstags von Juri Trifonow
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    In seinen Kurzprosawerken erzählt Ju. Trifonow Geschichten, in denen moralische Probleme klar dargestellt werden. In der Geschichte „Der Sieger“ werden gesellschaftliche Aktivität und biologische Langlebigkeit einander gegenübergestellt. Trifonow trifft keine Wahl, sondern reflektiert. Der Konflikt zwischen Biologie und Geschichte gehört zu den zentralen Themen seiner großartigen Prosa.

  • Von der Literatur zur Ökokritik: Sibirische Staudämme und ihre Auswirkungen auf die natürliche und menschliche Umwelt
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    Aus einer ökokritischen Perspektive widmet sich der vorliegende Aufsatz der Analyse einiger Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen zwei bedeutenden Werken der russischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Proschtschanije s Matjoroj (Abschied von Matjora, 1976) von W. Rasputin (1937–2015) und Zona zatoplenija (Die Überflutungszone, 2015) von R. Sentschin (1971). Vierzig Jahre später treten diese Romane in einen Dialog, der auf zentralen Themen und einem gemeinsamen Gegenstand basiert: der realen Überflutung mehrerer sibirischer Dörfer infolge des Baus von Staudämmen und Wasserkraftwerken. Der erste Teil der Arbeit führt in den Bau der sogenannten „großen Staudämme“ ein und kontextualisiert ihn, wobei ihre Hauptziele und Merkmale sowie die ökologischen Folgen für angrenzende Gebiete und Bevölkerungen skizziert werden. Der zweite Abschnitt behandelt die Parallelen zwischen den beiden literarischen Texten, wobei insbesondere das Naturbild und der spezifische „sibirische Chronotopos“ analysiert werden, der sich aus beiden Werken herauskristallisiert. In beiden Romanen spielt der Konflikt zwischen Mensch und Natur eine zentrale Rolle. Der letzte Teil der Studie vertieft den Vergleich der Inhalte und thematischen Schwerpunkte der Erzählungen, wobei das traumatische psychologische Erleben von Evakuierung und Umsiedlung der Figuren berücksichtigt wird. Die deutlich unterschiedlichen Stilmittel der beiden Autoren erlauben abschließende Überlegungen zu den tiefgreifenden Beziehungen zwischen ihren literarischen Werken, die über ein bloßes „Remake“ oder eine Aktualisierung hinausgehen.

Wissenschaftskritik