Historische Ethnologie

Die Vertreibung als Zäsur im religiös-kulturellen Leben der ungarndeutschen Gemeinde Budaörs/Wudersch?

Veröffentlicht:
September 10, 2020
Author
View
Schlagwörter
Lizenz

Copyright (c) 2020 Ethnographica et Folkloristica Carpathica

Creative Commons License

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International.

How To Cite
Selected Style: APA
Muka, V. (2020). Die Vertreibung als Zäsur im religiös-kulturellen Leben der ungarndeutschen Gemeinde Budaörs/Wudersch?. Ethnographica Et Folkloristica Carpathica, 22, 87-118. https://doi.org/10.47516/ETHNOGRAPHICA/1/22/5613
Abstract

Die Arbeit befasst sich mit der Frage, inwieweit und warum sich die Vertreibung der deutschsprachigen bzw. -stämmigen Bevölkerung aus Ungarn, die 1946 in Budaörs/Wudersch begann, als historische Zäsur in der Gestaltung der dortigen Fronleichnamstraditionen durchsetzte. Wissenschaftliche Arbeiten, zumeist verfasst von Budaörser Ortshistorikern und Ortshistorikerinnen, behaupten, die Vertreibung hätte unmittelbar zur Änderung der Festgestaltung der vermeintlich 300 Jahre alten Budaörser Tradition des Blumenteppichlegens an Fronleichnam geführt. Beschreibungen des Festes in der heutigen Form beziehen sich auf die Vertreibung als die Zäsur, die zur Verkürzung des Prozessionsweges führte, welcher nun nur mehr um die Kirche herum führen durfte. In der vorliegenden Arbeit wird die Vertreibung 1946 als einzig mögliche Zäsur in der Festgestaltung hinterfragt. Dies geschieht aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Wesen und den Charakteristika von historischen Zäsuren und der Analyse der lokalen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Budaörs in den Kriegsjahren. Um diese Entwicklungen auf lokaler Ebene in Budaörs nachzuvollziehen, wird in der Arbeit auf die Rolle von Kardinal József Mindszenty und der katholischen Kirche in Ungarn in den Jahren 1945–1949 eingegangen. Nach der theoretischen Auseinandersetzung mit Alben und ihrer identitätsstiftenden Funktion wird ein bisher zur Forschung nicht herangezogenes Quellenmaterial, ein Album im Erzbischöflichen Archiv in Esztergom/Gran, vorgestellt und analysiert. Das Kardinal Mindszenty 1948 anlässlich der von ihm durchgeführten Firmung in Budaörs zum Geschenk gemachte Album mit Fotos dieses Ereignisses und der lokalen Fronleichnamstradition zeugt davon, dass die Vertreibung nicht unmittelbar zur Veränderung des Prozessionsweges führte. Die Veränderungen in der Brauchgestaltung sind vielmehr als Folgen einer langjährigen Umwälzungs- und Anpassungsperiode an die politischen und sozialen Gegebenheiten zu verstehen, mitunter der sukzessiven Verfolgung der katholischen Kirche, die in der Festnahme von Mindszenty im Jahr 1948 mündete.